veröffentlicht am 06.11.2020 | von Dilara Özcan
Bei unserem Besuch im Spielmuseum konnten wir einmal wieder so richtig zum Kind werden! Unsere Augen begannen zu leuchten, genau wie damals als Kind, mit der Lieblings-Puppe im Arm. Das Spielmuseum in Soltau hält unzählige historische Schätze für alle Generationen zum Staunen bereit. Puppen und ihre Kleider, Puppenstuben, Holzfiguren, Papierspielzeug und eine sagenhafte Blech- und Zirkus-Ausstellung aus den Niederlanden … alles wartet darauf, entdeckt zu werden. Deshalb sagen wir schon einmal „Hereinspaziert“ in unseren ersten Einblick in das Spielmuseum Soltau!
Geschichte beim Spielen erleben
Als wir an einem Morgen in der Woche mit Mathias Ernst, dem Sohn der Museumsgründerin, verabredet sind, spielen sich schon Vorstellungen in unseren Köpfen ab, wie ein Spielmuseum wohl aussehen könnte. Aber ganz klar: unsere Vorstellungen waren weit untertrieben! Wir haben noch nie so viel Geschichte, Spiel und Spaß an einem Ort gesehen.
Historische, wunderschöne Spielobjekte werden hier der Öffentlichkeit gezeigt. Kinder, Eltern, Groß- und Urgroßeltern … wohl jeder kommt an diesem Ort aus der Verblüffung nicht mehr heraus. Hier begegnen sich alle Generationen und treten miteinander in Austausch.
„Oma, wie war es bei dir? Hattet ihr auch solche Puppen?“, hört man ein Kind fragen. Genau das soll das Spielmuseum in den Familien auslösen. Mathias Ernst erklärt, dass die Kinder alle Spielzeuge mit der Familie ansehen können und dass überall im ganzen Museum Stationen platziert sind, in denen alle miteinander spielen können! Leise soll es im Spielmuseum nicht sein! Außerdem sagt er: „Ganz häufig können wir beobachten, dass Familien sich bei uns eine schöne Ecke aussuchen, es sich gemütlich machen, um gemeinsam ein Brettspiel zu spielen!“ Er fügt noch hinzu: „Unsere Veranden sind zum pädagogischen Lesen und zum Klönen da. Kinder können sich hier zurückziehen oder im Kaufladen Verkäufer*In spielen.“ Denk- und Spielaufgaben stellen einen tollen Kontrast zur Ausstellung dar, sodass auf keinen Fall Langeweile aufkommt. Kinder erhalten mit der Möglichkeit des Spielens einen direkten und auch emotionalen Zugang zur Geschichte.
Wer hat das Spielmuseum gegründet?
Hannelore Ernst hat vor nunmehr 50 Jahren begonnen, historische Puppen zu sammeln. Ihre Sammlung wurde immer größer, bestand bald nicht mehr nur aus Puppen. So entschloss sie sich 1984, ihre Sammlung der Öffentlichkeit zu zeigen. Mittlerweile kann man die Sammlung an zwei Standorten auf 900 qm betrachten. Nicht schlecht oder? Diese Größe, kombiniert mit den historischen Gegenständen, das ist weltweit einzigartig.
Die Spielzeug-Sammlung legt ihren Schwerpunkt auf in Europa gefertigte Produkte. Deutschland war lange Zeit, bis etwa 1920, der Haupthersteller von Spielzeugen. Man findet in der Ausstellung aber auch niederländische, französische, österreichische und Schweizer Werke.
Mittlerweile hat Familie Ernst die Stiftung Spiel in Zusammenarbeit mit der Stadt Soltau gegründet. Ziel ist „die Bewahrung, Ergänzung, Erforschung, öffentliche Zugänglichkeit und pädagogische Erschließung der stiftungseigenen Spielzeugsammlung“, so berichtet uns Herr Ernst. Die Stiftung ist gemeinnützig. Der Eintritt in das Spielmuseum liegt für Erwachsene bei 5,- € und für Kinder bei 2,50 €. Es gibt Rabattmöglichkeiten, die für größere Familien sehr interessant sind.
Puppen Anna und Josephine – Zeitzeugen von damals
Besonders beeindruckt uns die riesige Puppensammlung von Hannelore Ernst. Dabei bleiben wir längere Zeit an den Puppen Anna und Josephine stehen. Herr Ernst erzählt uns, dass man anhand der Puppen auch vergangene Schönheitsideale erkennen kann.
Anna stammt aus der Zeit um 1830 und hat ein riesiges, voluminöses Kleid an, damit sie breit wirkt. Denn genau das war das Schönheitsideal damals. Je wohlhabender, desto breiter und stabiler sahen die Damen aus „betuchten“ Familien aus – und desto mehr teurer Stoff sollte sichtbar präsentiert werden. An der Kleidung der Puppe erkennt man die Mode von damals. Die Oberarme wurden weit aufgebauscht, man nannte das „Schinkenkeulenärmel“. Das Gesicht der Puppe ist rund, kreideweiß mit rötlichen Wangen. Genau so zeigte sich die Frau von Welt damals in der Gesellschaft.
Bei der Puppe Josephine aus der Zeit um 1885-1890 fallen die sehr aufwendig geschneiderten Kleider auf. Es war damals bei wohlhabenden Familien ein „Muss“, dass Mutter, Tochter und die Puppe der Tochter identische Kleider anhatten. Wenn also ein besonderes Fest anstand, wurde nicht nur die Frau von neuem Stoff ummantelt. Kleider spiegelten auch bestimmte Stimmungen wider. Wir sind verwundert, dass die Puppe und die Kleidung der Puppe noch so gut erhalten sind, nach so langer Zeit. Das lässt sich jedoch ganz einfach erklären: Kinder durften mit ihren Puppen damals nicht einfach spielen, wann immer ihnen der Sinn danach stand. Nur zu besonderen Anlässen und unter Aufsicht wurden die Puppen herausgeholt. Undenkbar in unserer heutigen Zeit.
Puppenhaus Dingley Hall – Bankierssöhne mit Sammelleidenschaft
Das wohl bedeutendste Puppenhaus aus dem 19. Jahrhundert stammt von Laurence und Isaac Currie aus England und lässt sich seit 2005 im Spielmuseum entdecken. Es besteht aus 15 Räumen, enthält 52 Puppen und über Tausend Zubehörteile. Da die Jungs aus einer Bankiersfamilie kamen, hielten sie fein säuberlich jeden Gegenstand schriftlich fest. Es ist absolut überwältigend, wie viel Liebe zum Detail in jeden einzelnen Raum gelegt wurde und wie jeder dieser Räume eine kleine Anekdote aus der damaligen Zeit zum Besten gibt.
Es sind all diese kleinen Geschichten, die uns an diesem Ort ganz besonders bannen. Jeder Gegenstand trägt seine individuelle kleine Vergangenheit mit sich. Auch dadurch wird das Spielmuseum lebendig und erlebbar.
Ihr seid inspiriert worden und möchtet nun auch spielen und die Geschichte der Spielzeuge kennenlernen? Dann los! Hier findet Ihr Weiteres zum Spielmuseum:
Das Spielmuseum ist geöffnet – täglich von 10 bis 18 Uhr
Wenn man vom Spielmuseum berichtet, liegt es nahe, das fliegende Klassenzimmer über dem Museum zu erwähnen! Es ist in seiner Art vollkommen einzigartig, hat aber gewiss einen eigenen Beitrag verdient! Wenn Ihr also mehr über den „schwebenden Raum an Luftballons“ erfahren wollt, dürft Ihr gespannt sein, denn demnächst erzählen wir Euch mehr darüber. Wenn Ihr so lange nicht warten möchtet, könnt Ihr gern Familie Ernst befragen. Sie erzählen Euch die Geschichte dahinter. 😉
Was kann man in Soltau noch erleben? Das beantworten Euch unsere Kolleg*Innen in der Soltau-Touristik: