veröffentlicht am 10.03.2022 | von Dilara Özcan
„Auf die ersten Lämmchen freut man sich besonders, das ist das Ziel des ganzen Jahres“.
Über den Schäfer Butz vom Schäferhof Neuenkirchen sowie seine Lebensgefährtin Petra Wagner haben wir euch hier auf unserem Blog schon mehrfach berichtet. Auch in diesem Jahr haben wir ihnen während der Lammzeit einen Besuch abgestattet.
Es ist ein verregneter Tag Mitte Februar und es herrscht ein dauerhaftes mähen und blöken im Stall. Es war mein allererster Besuch bei einem Schäfer und deshalb war ich voller Vorfreude, hatte allerdings auch eine innerliche Aufregung als ich den Stall betrat. Denn mir war bewusst, dass jederzeit während meines Besuches ein Lämmchen das Licht der Welt erblicken könnte.
Als ich mich auf den großen Hof zurechtgefunden habe und endlich den Schafstall gefunden habe, da waren Schäfer Franz Butz, Petra Wagner und Inga Aeberli noch mitten in den Hofarbeiten und haben das Futter vorbereitet. Ich habe mir schonmal einen ersten Überblick verschafft, dabei ist mein erster Blick natürlich direkt auf die süßen Lämmer gefallen. Zuerst schaute ich nur vorsichtig über den Zaun, um die Lämmer nicht zu erschrecken. Bis ich dann von Herrn Butz den Zuruf bekam, ich solle einfach über den Zaun klettern und mich zu ihnen setzen. Gesagt – getan. Kurze Zeit später saß ich auf dem mit Stroh ausgelegten Stallboden und die Lämmer kamen nach und nach neugierig immer näher. Anfangs noch sehr schüchtern, ein paar Minuten später knabberten sie an meinen Schnürsenkeln und nuckelten an meiner Jacke – das war auf jeden Fall mein absolutes Highlight des Tages.
Bislang sind schon 120 Lämmer geboren, bis Ende März können es aber durchaus bis zu 400 Lämmer werden. Schäfer Butz schaut morgens um 5 Uhr das erste Mal in den Stall, um nachzusehen, ob in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden gelammt wurde. Sollte dies der Fall sein, so kommt das Lamm mit seiner Mutter in eine Einzelbucht, wo sie normalerweise 2 Tage miteinander verbringen werden. Das dient dazu, die Mutter-Kind-Bindung zu festigen. Ab und zu kommt es auch vor, dass Zwillinge geboren werden. In diesem besonderen Fall bleiben das Muttertier und die Lämmer ein paar Tage länger in der Einzelbucht. Die ersten Stunden nach der Geburt sowie die ersten 8 Tage sind für das Lamm entscheidend. Besonders wichtig ist zu Anfang das Trinken der „Biestmilch“. So nennt man die Erstmilch, die von der weiblichen Milchdrüse produziert wird, um das Neugeborene in den ersten Tagen optimal zu ernähren. Anschließend geht es von der Einzelbox in die „Krabbelgruppe“ und dann in den „Kindergarten“, so erklärte es mir der Schäfer mit einem Augenzwinkern. Nach 14 Tagen fangen die Lämmer dann auch langsam an, Heu und Kraftfutter zu knabbern.
Da sich die Tiere auch an einen Rhythmus gewöhnt haben, ist der Ablauf während der Lammzeit meist derselbe:
Nach seinem ersten Kontrollgang wird gegen 06.30 Uhr das Futter hergerichtet, anschließend fallen noch weitere Stall- und Hofaufgaben an. Die anderen Tiere wollen ja schließlich auch versorgt werden. Gegen 21.30 Uhr machen der Schäfer und seine Lebensgefährtin dann den letzten Kontrollgang durch den Stall.
Während die Heidschnucken am fressen sind und der Schäfer und ich uns unterhalten, ist mir aufgefallen, dass ihnen die Trächtigkeit kaum anzusehen ist. Schäfer Butz erklärte mir, dass die Lämmer erst in den letzten 6 bis 8 Wochen richtig wachsen und man die Trächtigkeit dann an den Eutern erkennen kann. Bei der jahrelangen Arbeitserfahrung ist das für ihn mittlerweile natürlich direkt auf den ersten Blick zu erkennen, für mich als Laie sahen sie einfach nur flauschig aus
Schäfer Butz hat schon als Kind Schafe gehütet, die jahrzehntelange Erfahrung zahlt sich nun aus. „Wenn man knapp 50 Jahre mit Schafen zu tun hat, kennt man sich aus“. Es ist wichtig mit den Tieren zu reden, dabei macht der Ton die Musik. Am Verhalten der Tiere erkennt man sehr viel, so kann Herr Butz es den Tieren zum Beispiel auch ansehen, dass ein trächtiges Tier in der nächsten halben Stunde lammen wird.
So wie er die Tiere kennt, so kennen die Tiere auch ihn. Sie wissen genau das es Futter gibt, wenn er morgens das zweite Mal in den Stall kommt und erwarten ihn schon ganz sehnsüchtig. Und absolut faszinierend fand ich die Tatsache, dass einige Tiere sogar angelaufen kommen, wenn der Schäfer ihre Namen ruft. (naja meistens auf jeden Fall, bei meinem Besuch im Schafstall hat sich keine Heidschnucke auch nur gerührt. Der altbekannte Vorführeffekt eben ).
Neben den Heidschnucken und den vielen süßen Lämmern gibt es natürlich auch Böcke im Stall, von denen mir der Schäfer natürlich auch das ein oder andere erzählt hat.
Habt ihr schonmal von der alljährlichen Bockauktion in Müden gehört?
Jedes Jahr gibt es in Müden eine Auktion, bei der ausgewählte Böcke versteigert werden. Dies tut man nicht des Geldes wegen, sondern vielmehr um mit anderen Schäfern die Blutlinien der Böcke auszutauschen. Im April bekommt Schäfer Butz dazu bereits den ersten Besuch und es wird beurteilt, welche Böcke dafür in Frage kommen. (Besonders kräftige Lämmer werden vom Schäfer Butz bereits bei der Geburt als potenzielle Zuchtböcke vorgemerkt.)
Der sogenannte Index wird beurteilt und anschließend werden die Tiere in Klasse 1 bis 3 eingestuft. Wichtige Faktoren dafür sind zum Beispiel das Gewicht, die Hornstellung, der Zustand der Wolle, die tägliche Zunahme sowie das „Fundament“, so wird die Stellung der Hufe bezeichnet. Je nach Beurteilung kann ein Bock 400€ bis 2000€ kosten. Die Auktion im Rahmen des „Heidschnuckentages“ ist natürlich für jeden zugänglich und es gibt einige Programmpunkte und Angebote: Es stehen euch eine Vielzahl an Ständen mit Informationen, Erzeugnisse der Heide und auch Spezialitäten der Heidschnucke zur Verfügung. Bei Interesse könnt ihr euch den 14.07.2022 ja schonmal im Kalender vormerken.
Meine Erkenntnisse nach meinem ersten Besuch auf dem Schäferhof:
Der Beruf des Schäfers ist, besonders während der Lammzeit, ein Fulltime-Job ohne Feierabend und ohne freie Tage. Ich selber war zwar nur einige Stunden vor Ort, habe aber selber spüren können, wie beruhigend die Atmosphäre auf mich wirkte und das ich am liebsten noch einige Stunden länger geblieben wäre. Man merkt den herzlichen Umgang der beiden mit den Tieren und das macht den Beruf des Schäfers zu einem ganz besonderen.
Ich würde sogar sagen, es ist kein Beruf, sondern eine Berufung.
Vielen herzlichen Dank für die Möglichkeit, euch zu besuchen und einen Blick hier die Kulissen zu werfen!
Ihr möchtet mehr über den Schäferhof erfahren? Dann schaut gerne auf die Website des Schäferhofes Neuenkirchen: